Muss ich vor Gericht aussagen? Dokumentation und rechtliche Hilfe nach einer Straftat

Eine Straftat zu erleben, ist eine enorme seelische Belastung. Viele Betroffene sind danach verunsichert und fühlen sich hilflos. Es fällt oft schwer, das Geschehene zu verarbeiten.

Schnell kommen viele Fragen auf: Bin ich wirklich Opfer einer Straftat geworden? Soll ich Anzeige erstatten? Wenn ja, muss ich dann vor Gericht aussagen? Welche Unterstützung kann ich bekommen?

Auf dieser Seite begleiten wir Sie Schritt für Schritt. Sie erfahren, wie Sie Spuren und Beweise festhalten. Wir erklären, was eine Anzeige bedeutet und welche Unterstützung Sie erhalten, wenn Sie später vor Gericht erscheinen. Außerdem zeigen wir, welche Rechte Sie im Strafverfahren haben und wo Sie Hilfe finden.

Tathergang festhalten und Beweise sichern

Es ist völlig normal, wenn Sie zuerst nicht wissen, ob Sie Anzeige erstatten möchten oder nicht. Den Tathergang zu dokumentieren und Beweise zu sichern, ist aber in jedem Fall sinnvoll. So behalten Sie die Details des Vorfalls im Blick und können später genauer schildern, was passiert ist. Außerdem gibt es Ihnen Zeit, in Ruhe zu entscheiden, ob eine Anzeige für Sie infrage kommt.

Ablauf des Vorfalls notieren

Notieren Sie so bald wie möglich, was passiert ist. Schreiben Sie alles auf, woran Sie sich erinnern können. Diese Aufzeichnungen helfen später, den Ablauf genau wiederzugeben. Halten Sie fest:

  • Datum und Uhrzeit des Geschehens
  • Den genauen Ort
  • Wer beteiligt war und was in welcher Reihenfolge passiert ist
  • Was gesagt wurde
  • Wie die beteiligten Personen aussahen oder gekleidet waren
  • Wo sich die Beteiligten befanden (wer wo stand)
  • Ob es Zeuginnen oder Zeugen gibt

Falls Sie später bei der Polizei Anzeige erstatten, können Sie den Beamt*innen eine Kopie Ihrer Aufzeichnungen geben. Das Original sollten Sie unbedingt aufheben. Ihre Aussage wird zwar protokolliert, das Protokoll selbst bekommen Sie aber nicht ausgehändigt. Rechtsanwält*innen können Akteneinsicht beantragen und Ihre Aussage einsehen.

Deshalb sind eigene Notizen so wichtig. Sie unterstützen Sie während der Vernehmung und sind oft die einzigen Aufzeichnungen, die bei Ihnen verbleiben.

Beweise sichern

Wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, sind Beweise entscheidend. Sichern Sie daher alles, was später relevant sein könnte:

  • Namen und Kontaktdaten von möglichen Zeuginnen und Zeugen notieren.
  • Beweisstücke (z. B. Kleidung) aufbewahren.
  • Wichtige Nachrichten (z. B. SMS, WhatsApp, E‑Mails) speichern.
  • Ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine Untersuchung im Krankenhaus sichert nicht nur Ihre Gesundheit, sondern dokumentiert auch Ihre Verletzungen. Verletzungen sollten ggf. fotografiert werden.
  • Für eine rechtssichere Erfassung können Sie die Gewaltschutzambulanz der Charité aufsuchen.

Alle diese Unterlagen können als Beweismittel in einem Strafverfahren eine wichtige Rolle spielen.

Besonderheiten nach sexualisierter Gewalt

  • DNA-Spuren können nur innerhalb weniger Tage (72 h) nach der Tat gesichert werden. Verzichten Sie nach Möglichkeit darauf, sich zu waschen.
  • Die Spurensicherung und Untersuchung finden in der Rettungsstelle eines Krankenhauses statt. In manchen Kliniken wird dafür die Polizei hinzugezogen und direkt eine Anzeige aufgenommen. Andere Kliniken bieten eine vertrauliche Spurensicherung an – dabei werden Spuren gesichert, ohne dass sofort eine Anzeige erfolgt.
  • Rufen Sie die Gewaltschutzambulanz der Charité an und lassen Sie sich telefonisch dazu beraten.
  • Bewahren sie beschmutzte Kleidung in einer Papiertüte auf (keine Plastiktüten). 
  • Bei einem Verdacht auf K.-o.-Tropfen sollten Sie so schnell wie möglich ins Krankenhaus gehen. Bitten Sie dort um eine Blut- und Urinuntersuchung. Die Substanzen sind nur wenige Stunden (ca. 6–12) nachweisbar.

Gewalt im ÖPNV: Aufnahmen werden schnell gelöscht

Wenn Sie in Bus, Bahn oder an einem Bahnhof Gewalt erlebt haben, kann es davon Kamerabilder geben. Diese Bilder werden im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) aber nur 48 Stunden lang gespeichert.

Glauben Sie, dass es Aufzeichnungen von der Tat gibt? Wenn Sie eine Anzeige in Betracht ziehen, melden Sie den Vorfall schnell der Polizei. So können die Aufnahmen rechtzeitig gesichert werden.

Alles Weitere dazu, wie Sie eine Strafanzeige stellen können, finden Sie hier.

Anzeige erstatten oder nicht?

Alle bisherigen Schritte sind sinnvoll – unabhängig davon, ob Sie am Ende eine Strafanzeige stellen oder nicht. Sie geben Ihnen Sicherheit und eine Grundlage, auf der Sie diese Entscheidung in Ruhe durchdenken können.

Es ist völlig verständlich, wenn Sie unsicher sind. Lassen Sie sich Zeit und setzen Sie sich nicht unter Druck. Beratungsstellen unterstützen Sie bei der Abwägung und begleiten Sie auch nach Ihrer Entscheidung.

Sollten Sie sich für eine Anzeige entscheiden, können Sie diese online über die Internetwache der Polizei erstatten. Bei schweren Straftaten ist es sinnvoll, sich direkt an die zuständige Behörde oder das LKA zu wenden. Danach beginnen die polizeilichen Ermittlungen.

Mehr zum Thema Strafanzeige finden Sie hier.

Begleitung durch eine Vertrauensperson

Sie müssen diese schwierige Situation nicht allein durchstehen. Bei der Anzeige und auch späteren Vernehmungen haben Sie das Recht, eine Vertrauensperson mitzunehmen.

Nur in Ausnahmefällen kann die Polizei das ablehnen. Das wäre zum Beispiel möglich, wenn die Anwesenheit Ihrer Vertrauensperson den Zweck der Vernehmung gefährden würde. Am besten informieren Sie die Polizei vorher telefonisch über Ihren Wunsch, damit sich alles gut vorbereiten lässt.

Unterstützung für Aussagen vor Gericht

Ein Gerichtsverfahren kann belastend sein. Haben Sie eine Anzeige gestellt, kann es sein, dass Sie als Zeugin oder Zeuge vor Gericht aussagen müssen. Sie müssen aber auch dort nicht allein auftreten. 

Die Zeug*innenbetreuung im Gericht kann Sie am Tag der Verhandlung unterstützen. Damit Sie der angeklagten Person nicht begegnen müssen, gibt es geschützte Warteräume. Auf Wunsch werden Sie zum Saal gebracht und nach Ihrer Aussage wieder abgeholt. Melden Sie sich am besten frühzeitig bei der Betreuung an: 030 901 434 98.

Zusätzlich dürfen Sie sich von einer besonderen Vertrauensperson begleiten lassen. Sie können auch eine anwaltliche Vertretung als Zeugenbeistand mitnehmen. 

Weitere Unterstützung: Nebenklage und psychosoziale Prozessbegleitung

In bestimmten Fällen können Sie als betroffene Person einer Straftat eine Nebenklage erheben. Das bedeutet, dass Sie aktiv am Verfahren beteiligt sind. So können Sie Ihre Rechte vor Gericht entweder selbst oder mithilfe einer anwaltlichen Vertretung durchsetzen. 

Als Nebenkläger*in haben Sie zum Beispiel das Recht, Einsicht in die Akten zu bekommen. Eine anwaltliche Vertretung kann einen Antrag auf Akteneinsicht stellen und Sie während des Verfahrens begleiten.

Zusätzlich gibt es die psychosoziale Prozessbegleitung. Diese speziell geschulte Fachkraft unterstützt Sie während des gesamten Verfahrens und steht Ihnen zur Seite. Unter bestimmten Voraussetzungen kann diese Begleitung auf Antrag auch kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

  • Mehr zur Nebenklage finden Sie hier.
  • Mehr zur psychosozialen Prozessbegleitung finden Sie hier.

Denken Sie daran: Sie haben Rechte und müssen diesen Weg nicht allein gehen. Holen Sie sich die Hilfe, die Sie brauchen!