Langfristige Selbstfürsorge nach einer Straftat

Das Erleben einer Straftat ist eine belastende Erfahrung, die viele Lebensbereiche beeinflussen kann – insbesondere die psychische Gesundheit. Gefühle wie Angst, Unsicherheit, Traurigkeit oder Wut sind normale Reaktionen auf ein außergewöhnliches Ereignis. Diese Emotionen können noch lange nach der Tat spürbar sein und den Alltag beeinträchtigen.

Auf dieser Seite finden Sie Anregungen und Vorschläge zur Selbstfürsorge, die Sie dabei unterstützen können, langfristig mit den Folgen der Tat umzugehen. Ziel ist es, Belastungen zu verringern und wieder mehr Stabilität und Alltagssicherheit zu gewinnen.

Nehmen Sie sich Zeit, um herauszufinden, was Ihnen in Ihrer Situation guttut – und was Ihnen dabei hilft, das Erlebte zu verarbeiten.

Geduld mit sich selbst und Zeit zur Verarbeitung

Jeder Mensch verarbeitet individuell. Erlauben Sie sich, in Ihrem eigenen Tempo mit dem Erlebten umzugehen. Vielleicht merken Sie, dass Ihnen manches schwerer fällt als sonst oder dass Sie schneller erschöpft sind. Das ist nicht ungewöhnlich. 

Gönnen Sie sich deshalb gezielt Ruhephasen und schaffen Sie Momente, in denen Sie neue Kraft schöpfen können. Solche Pausen sind kein Rückschritt, sondern ein wichtiger Teil des Verarbeitungsprozesses.

Unterstützung durch das soziale Umfeld

Gespräche mit vertrauten Personen können eine wichtige Stütze sein. Sprechen Sie mit Menschen, denen Sie vertrauen, und schaffen Sie Situationen, in denen Sie sich sicher und geborgen fühlen.

Bitten Sie außerdem nahestehende Personen, Sie bei Wegen oder Aufgaben zu begleiten, bei denen Sie sich unwohl fühlen oder die Sie gerade überfordern.

Entspannung und körperliche Aktivität

Kleine Momente der Entspannung und Achtsamkeit können helfen, Anspannung abzubauen. Überlegen Sie, was Ihnen persönlich guttut – vielleicht gibt es Dinge, die Ihnen schon früher geholfen haben, zur Ruhe zu kommen. In diesem Abschnitt stellen wir drei Möglichkeiten vor: bewusste Atmung, Achtsamkeitsübungen und Bewegung oder Sport.

Bewusste Atmung

Atemübungen können helfen, sich zu beruhigen – besonders in Momenten von Unruhe oder Anspannung. Zwei einfache Techniken lassen sich gut im Alltag anwenden.

Tiefes Bauchatmen

Legen Sie die Hände auf den Bauch, atmen Sie tief durch die Nase ein und spüren Sie, wie sich Ihr Bauch hebt. Atmen Sie langsam durch den Mund aus. Dies fördert die körperliche Entspannung.

4-8-7-Atmung

Diese Übung kann dabei helfen, langsamer zu atmen und dadurch den Körper zu beruhigen. Der gleichmäßige Atemrhythmus gibt dem Gehirn das Signal: „Alles ist in Ordnung.“ Sie kann helfen, sich in schwierigen Momenten weniger angespannt oder ängstlich zu fühlen.

So funktioniert sie: 

  • 4 Sekunden lang durch die Nase einatmen
  • 7 Sekunden lang den Atem anhalten
  • 8 Sekunden lang durch den Mund ausatmen

Wichtig ist dabei: Wenn Sie sich unwohl fühlen, hören Sie einfach auf oder atmen in Ihrem eigenen Tempo weiter. Es geht darum, Ihnen etwas Gutes zu tun – hören Sie auf Ihren Körper!

Achtsamkeit

Achtsamkeitsübungen können dabei helfen, den Fokus weg von belastenden Gedanken hin zur Gegenwart zu lenken. Eine alltagstaugliche Methode ist die folgende:

5-4-3-2-1-Methode

Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nacheinander auf:

  • 5 Dinge, die Sie sehen
  • 4 Dinge, die Sie fühlen
  • 3 Dinge, die Sie hören
  • 2 Dinge, die Sie riechen
  • 1 Sache, die Sie schmecken können

Diese Übung hilft dabei, präsent im Hier und Jetzt zu sein – besonders dann, wenn Sie sich überfordert fühlen oder Ihre Gedanken nicht zur Ruhe kommen.

Bewegung und Sport

Körperliche Aktivität kann entlasten – sei es durch sanfte Bewegung oder durch bewusstes Auspowern. Probieren Sie aus, was Ihnen guttut. Das Wichtigste ist, etwas zu finden, das Ihnen Spaß macht und sich gut anfühlt – ganz ohne Druck. Zum Beispiel:

  • Spazierengehen an der frischen Luft
  • Leichte Dehnübungen oder Yoga
  • Schwimmen oder Radfahren im eigenen Tempo
  • Energetischeres Training

Kleine Freuden, die guttun

Überlegen Sie, was Ihnen im Alltag normalerweise Freude bereitet – vielleicht ein gutes Buch, eine Tasse Tee oder ein ruhiger Moment ganz für sich. Auch kreative Tätigkeiten wie Schreiben, Malen oder Musikmachen können als Ventil wirken und dabei helfen, Erfahrungen zu verarbeiten oder Gefühle auszudrücken.

Nehmen Sie sich bewusst Zeit für das, was Ihnen guttut und Halt gibt. Vertraute Gewohnheiten können Stabilität bieten.

Rückkehr in den Alltag

Es kann hilfreich sein, schrittweise in Ihre vertrauten Routinen zurückzukehren – auch das kann Halt geben. Achten Sie darauf, sich nicht zu überfordern, und erlauben Sie sich Pausen.

Professionelle Unterstützung suchen

Sie müssen mit dem Erlebten nicht allein zurechtkommen. Es gibt verschiedene Unterstützungsangebote, an die Sie sich wenden können – ganz gleich, ob die Tat erst vor Kurzem passiert ist oder schon länger zurückliegt.

Insbesondere wenn Sie nach sechs bis acht Wochen keine spürbare Verbesserung bemerken oder die Belastung weiterhin Ihren Alltag einschränkt, zögern Sie nicht, sich Hilfe zu holen – zum Beispiel bei Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen oder einer Beratungsstelle. 

Hier finden Sie Angebote in Berlin, die Ihnen vertraulich und kostenfrei zur Seite stehen:

Weitere Hinweise zum Umgang mit den Folgen einer Straftat finden Sie in der Traumabroschüre der Opferhilfe Berlin.